Russische Gegenwartsliteratur – erneut zwischen „zapadniki“ (Westlern) und Slavophilen?
Literatur

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Russische Gegenwartsliteratur – erneut zwischen „zapadniki“ (Westlern) und Slavophilen?

Russische Gegenwartsliteratur – erneut zwischen „zapadniki“ (Westlern) und Slavophilen?

Literatur
Der Krieg in der Ukraine erstreckt sich zunehmend auf den kulturellen Bereich. Dostojewski-Vorlesungen werden abgesagt, Tschaikowskys „Jungfrau von Orléans“ wird in St. Gallen durch Verdis „Giovanna d’Arco“ ersetzt, wiewohl beide Opern auf Schillers gleichnamigem Drama basieren. Dabei war Fjodor Dostojewski trotz seiner Kritik des Westens durchaus imstande, die „heiligen Steine“ der westlichen Kultur wertzuschätzen, wie Nietzsche ihn wiederum als den einzigen Psychologen apostrophierte, von dem er etwas zu lernen hatte. Tschaikowskys Familie lebte in der Nähe von Kiew, und er hätte bestimmt alles getan, um sie vor dem jetzt statthabenden Albtraum zu bewahren. Während Thomas Mann noch von der „anbetungswürdigen…heiligen russischen Literatur“ handelte, scheint es jetzt darum zu gehen, alles Russische möglichst zu eliminieren, was umgekehrt einer orthodoxen Dämonisierung europäischer Impulse in die Hände spielt. Ausgelöscht scheint das von Gorbatschow lancierte Konzept eines „gemeinsamen europäischen Hauses“. Vor diesem Hintergrund entstand der Vorschlag bei den TN des Sommersemester-Seminars, die russische Gegenwartsliteratur im Wintersemester auf den Prüfstand zu stellen.
Die Perestrojka-Periode (Abschaffung der Zensur) wirkte massiv in die Russische Föderation hinein: einerseits konnte die im „samizdat“ zirkulierte Literatur offiziell gedruckt, die „Schubladen“-Autor*innen ins Licht gerückt werden, andererseits hielt das Phänomen der „massovaja literatura“, der auf den Massengeschmack zugeschnittenen Konsumliteratur, Einzug: die Literatur wurde den Gesetzen der Marktwirtschaft subsumiert: PR, Marketing, Literaturpreise, Kritik. Bis dato nicht zu Habendes boomte: ausländische westliche Literatur. Junge russische Autor*innen hatten es schwer, Verleger*innen zu finden. Die Literatur erlebte einen Funktionswechsel: weg von einer normativ-didaktischen Ausrichtung zu einer nicht selten überkompensierenden Ästhetik des Skandals wie des Schocks. Simultan verloren bis dato privilegierte Schriftsteller*innen ihr symbolisches (hohes Ansehen) wie materielles Kapital (Existenzsicherung).
Anhand ausgewählter Texte soll an 6 Abenden, jeweils Mi 18.30 – 20.00 Uhr, in 3-wöchigem Turnus sondiert werden, wie die Vorgänge vor und nach 1989 innerhalb der russischen Gegenwartsliteratur reflektiert werden, was an vielfältiger Auseinandersetzung möglich ist und wie sich diese Auseinandersetzung mit der Fragestellung nach dem Eigenen und dem Fremden, dem speziell Russischen wie dem europäisch Integrierenden, verknüpft.
Beginnen wollen wir mit:
Julia KISSINA: Elephantinas Moskauer Jahre, Suhrkamp Verlag

Die weiteren Texte in der Reihenfolge der Seminarstunden sind:
Vladimir SOROKIN: Der Zuckerkreml, Kiepenheuer und Witsch Verlag sowie Tatjana TOLSTAJA: Kys, Rowohlt Verlag
Natalia KLJUTSCHAROWA: Endstation Russland, Suhrkamp Verlag
Arkadi BABTSCHENKO: Die Farbe des Krieges, Rowohlt Verlag

Marina PALEI: Rückwärtsgang der Sonne, Droschl Verlag
Alexander ILLITSCHEWSKI: Matisse, Matthes und Seitz Verlag
Dauer: 6 Termine
Terminmöglichkeiten: 28.09.2022 18:30 Uhr
Geeignetes Alter: 0 - 100 Jahre
Kosten: 70,00 €
Abrechnungsform:
Ansprechperson: Familienbildungsstätte Ulm
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